Lesung: „Hier wohnte Hanna Mecklenburg“

Am Samstag, den 13. November 2021, fand die Lesung „Hier wohnte Hanna Mecklenburg“, in der über das Leben der jüdischen Geschwister Hanna und Herrmann Mecklenburg und deren Familie informiert wurde, statt. Auch diese Lesung ist ein Puzzelteil des Projektes „… dahin wie ein Schatten“, ein Kooperationsprojekt der Schülerinnen und Schüler der Cesar-Klein-Schule Ratekau und des Ostsee-Gymnasiums Timmendorfer Strand. Die Schicksale der Geschwister Hanna und Hermann Marcus Mecklenburg begleiten seit zwei Jahren die Gedenkstättenfahrten unserer beiden Schulen.

Bereits am Freitag vor der Lesung haben sich die Schüler/-in Käthe-Marie Wieseler (OGT), Wessam Alotba (CKS) und Robert Jahr (OGT) zu einer Generalprobe in der Mengstraße 52, dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Mecklenburg, getroffen, um sich mit der Umgebung und den Texten vertraut zu machen.

Dieses alte Giebelhaus war seit 1885 im Familiensitz der Mecklenburgs und diente sowohl als Zuhause für die große Familie von Hannas Großvater Hermann Mecklenburg und gleichzeitig als Firmensitz seiner Papierwaren-Großhandlung, die dieser später mit seinen Söhnen führte. So wuchsen Hanna und ihr kleiner Bruder Hermann Marcus in den 1920er Jahren im Kreise einer großen Familie in der Mengstraße 52 auf.

Dieses Haus befindet sich heute im Besitz der Familie Heissing, die sich für die Erhaltung des geschichtlichen Hauses und dem Gedenken an die Familie Mecklenburg einsetzt. Seit dem Sommer 2007 liegen vor dem Haus in der Mengstraße vier Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig, deren in Messing geschlagene Inschriften Passanten auf das traurige Schicksal dieser Lübecker Familie aufmerksam machen sollen. Das Erdgeschoss wird heute als Galerie genutzt, dort im Inneren befindet sich ebenfalls eine im Boden befestigte Gedenktafel mit den Namen der Familie Mecklenburg.

Hanna dürfte Schülerin der Ernestinenschule gewesen sein, wie es schon ihre Mutter und deren Schwestern waren. Ihr kleiner Bruder wird vermutlich in die 1934 eingerichtete Volksschule der jüdischen Gemeinde eingeschult worden sein.

Die eigentliche Lesung „Hier wohnte Hanna Mecklenburg“ begann am darauffolgenden Tag um 16 Uhr. Ein aufgebauter Beamer projizierte alte Bilder der Familie Mecklenburg, u. a. auch des alten Wohnhauses, auf einer Leinwand, um den Besuchern eine bildliche Vorstellung des damaligen Lebens dieser Familie zu geben. Insgesamt erschienen ca. 45 Besucher, darunter Eltern, Lehrer*innen, (ehemalige) Schüler*innen und interessierte Lübecker, die durch den Zeitungsbericht in den Lübecker Nachrichten auf die Veranstaltung aufmerksam geworden waren. Es war eine besondere Atmosphäre an diesem Nachmittag in diesem Haus, hier also lebten Hanna und Hermann Mecklenburg, für die wir vor 6 Wochen am Ort ihrer Ermordung eine Gedenkfeier veranstaltet haben.
Die Lesung begann mit einer Begrüßung durch Günter Knebel, pensionierter Lehrer der Cesar-Klein-Schule Ratekau. Dieser leitet zusammen mit Andrea Finke-Schaak, Lehrerin des OGTs, das Projekt „… dahin wie ein Schatten“.
Heidemarie Kugler-Weiemann, Mitglied der Initiative Stolpersteine in Lübeck, sprach ebenfalls einige Grußworte.

Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass diese Lesung überhaupt stattfinden konnte. Sie entwickelte den vorzutragenden Text und trug durch ihre Recherchen viele Informationen über die Mecklenburgs zusammen. Wie Frau Finke-Schaak zum Schluss dann auch verriet, ist Frau Kugler-Weiemann Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und, worauf sie besonders stolz ist, Trägerin des Obermayer German Jewish History Award. Für diesen Preis wird man von jüdischen Mitbürgern vorgeschlagen. Die Verleihung dieses besonderen Preises bedeutet eine besondere Ehre für Frau Kugler-Weiemann. Sie ist die einzige Preisträgerin dieses Obermayer Preises aus Schleswig-Holstein.

Die Initiative „Stolpersteine für Lübeck“ veröffentlicht ihre Recherchen auf einer Website, auf der auch die Biografie der Familie Mecklenburg zu lesen ist. So wurden Angehörige der Familie aus Holland, Deutschland, Kanada und der Schweiz auf die Recherchen aufmerksam und nahmen Kontakt zu Heidemarie Kugler-Weiemann, aber auch untereinander auf.

Nun begann die eigentliche Lesung, vorgetragen von Käthe-Marie Wieseler (OGT), Wessam Alotba (CKS) und Robert Jahr (OGT). Die Lesung wurde mit jiddischen Liedern untermalt, die Volker Schauer begleitet mit seiner Gitarre vortrug. 

Es war eine sehr emotionale Lesung. Am Ende gab es viel Applaus und Danksagungen von Frau Finke-Schaak für die Familie Heissing, die ihre Galerie zur Verfügung gestellt hat, für Volker Schauer, der kurzfristig eingesprungen war, weil die ursprünglich geplanten Musiker krankheitsbedingt absagen mussten, für Frau Heidemarie Kugler-Weiemann, für ihren Einsatz und für ihr großes Engagement gegen das Vergessen und natürlich für uns Schüler. Frau Finke-Schaak betonte, dass – auch wenn wir leider in den letzten Jahren immer mehr mit Antisemitismus konfrontiert werden –  so doch unser Projekt und das Engagement von uns Schülern, Hoffnung gibt und einen Gegenpol bildet zu Ausgrenzung und Rassismus.

Nach einer halben Stunde Pause ging es dann 20 m entfernt im KoKi – im Kommunalen Kino Lübeck weiter. Hier wurde der 2019 gedrehte Film Licht ins Dunkel von Finn Nissen über die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz gezeigt. Bisher gab es drei gemeinsame Gedenkstättenfahrten von Schülerinnen und Schüler der CKS und des OGT. Es waren Schüler- und Schülerinnen aller drei Fahrten gekommen. Vor der Aufführung des Films hielt Herr Knebel ein paar einführende Worte. Als der Film endete, gab es regen Applaus aus dem Publikum. Nun saßen 5 Schüler und Schülerinnen (aus drei verschiedenen Gedenkstättenfahrten) sowie der Filmemacher Finn Nissen auf dem Podium und stellten sich den Fragen des Publikums. So wurde beispielsweise gefragt, wie die Schüler bzw. Schülerinnen diese vielen sehr emotionalen Eindrücke verarbeitet haben, wie ihre Familien nach der Rückkehr reagiert haben, wie das Interesse für das Thema im Freundeskreis gewesen sei, ob sich heute ihre Seh- und Lesegewohnheiten geändert hätten, wenn über das Thema Nationalsozialismus berichtet wird. Die Schüler*innen auf dem Podium haben sehr eindrucksvoll von dem Erlebten berichtet. So berichtete eine Schülerin davon, dass sie eingegriffen hat, als offensichtlich ein Fahrgast im öffentlichen Verkehrsmittel rassistische Bemerkungen von sich gegeben hat (sie erhielt Zwischenapplaus), ebenfalls waren sich alle Schüler*innen einig, dass sie sich jetzt Dokumentationen zu diesem Thema anschauten, dass sie viel sensibler für das Thema geworden seien. Zum Schluss dankten die Schüler den beiden Lehrkräften für ihr großes Engagement.

Hanna und Hermann Mecklenburg mussten viel zu früh sterben. Wir haben aber heute dazu beigetragen, dass die Nationalsozialisten es nicht geschafft haben, ihre Identität auszulöschen.

Robert Jahr, OGT

Zeitungsartikel:

Aus der LN vom 12.11.2021
Aus: Der Reporter