Jurek Szarfs Leben – eine fesselnde Geschichte

Am Freitag. 19.1.18, war der 84-jährige Holocaust-Überlebende in der Ratekauer Cesar-Klein-Schule zu Gast.

Jurek Szarf spricht in der Mensa der Cesar-Klein-Schule. Quelle: Foto: Dresing

Jurek Szarf spricht in der Mensa der Cesar-Klein-Schule. Quelle: Foto: Dresing

Er hat den Holocaust überlebt, als nahezu einziger seiner Familie: Jurek Szarf wohnt heute in Stockelsdorf – und berichtet immer wieder vor Schulklassen über die Schrecken, die er als Kind erlitten hat. Am Freitag war der 84-Jährige in der Ratekauer Cesar-Klein-Schule zu Gast.

Ratekau. In der Mensa ist es ganz still. Die rund 200 Schüler der Klassen 10 und 13 lauschen gefesselt dem, was Jurek Szarf zu sagen hat. Und das ist eine ganze Menge. Denn der 84-Jährige berichtet von seinem dramatischen Leben. Von seinem dramatischen Überleben.

Szarf wurde 1933 im polnischen Lodz geboren. Als die Nazis Polen überfielen, wurden er und seine gesamte Familie ins Ghetto der Stadt gepfercht, später in verschiedenen Konzentrationslagern eingesperrt. „Ich war fünf Jahre lang hinter Gittern“, sagt Szarf, „nur weil ich Jude bin.“

Eindringlich schildert Szarf das eigentlich Unfassbare: Wie Zwangsarbeiter erschossen wurden, wie seine Mutter im Lager verhungerte, wie er kurz vor seiner Erschießung gerettet wurde. Szarf sitzt dabei ruhig auf der Bühne, spricht aufgeräumt und ohne Manuskript und zeichnet seine Kindheit im Naziregime nach.

1945 wird er von der Roten Armee aus dem KZ Sachsenhausen befreit – da war Szarf zwölf Jahre alt. Aus seiner Familie überlebten außer ihm nur sein Vater und ein Onkel. 1951 emigrierte er in die USA, wurde amerikanischer Staatsbürger, kam in den 70er Jahren aus beruflichen Gründen zurück nach Deutschland. „Eigentlich wollten meine Frau und ich nur zwei Jahre bleiben – daraus wurden 42.“ Mit Sprüchen wie diesem weiß Szarf die Teenager für sich zu gewinnen und die Stimmung in der Schulmensa etwas aufzulockern.

Eine Stunde lang erzählt er die Geschichte seiner Kindheit. Anschließend stellt er sich den Fragen der Schüler. Dabei verrät er, dass er nach seiner Befreiung nie in ein normales Leben zurückkehren konnte. „Ich bin seit 1952 ununterbrochen in psychiatrischer Behandlung“, sagt der 84-Jährige.

Es war auch der Rat seines Psychiaters, dass Szarf seine Geschichte in einem Buch festhält. „Sonst wäre ich verrückt geworden.“ Das habe ihm geholfen, genau so wie die Gespräche mit Jugendlichen auf seinen unermüdlichen Touren durch Schulen.

Die Schüler der Ratekauer Gemeinschaftsschule waren bewegt von dem Vortrag. „Es war wirklich eindrucksvoll“, sagt Bennet (18) aus der 13. Klasse. „Ich hatte manchmal Gänsehaut“, betont Abiturient Jasper (19). „Es ist etwas ganz anderes, diese Ereignisse von einem Zeitzeugen zu hören, als sie in einem Buch zu lesen. Alle Schüler waren gefesselt.“

Von Jan Dresing Lübecker Nachrichten 20.1.2018